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Wenn Schweine lächeln

  

Endlich stießen die ersten Sonnenstrahlen durch. Der Herbst hatte uns in Oberösterreich schon fest im Griff. Die Reise führte uns vier jungen Frauen in das für mich fast unbekannte Mühlviertel. Von früher kannte ich noch die Ausflüge mit meiner Mutter in die Gegend der LeinenproduzentInnen. Aber ansonsten fuhr ich selten über die Donau, hinauf Richtung Deutschland / Tschechien.

Umso mehr überraschte mich die Schönheit der Gegend. Hügelig wie in der Südsteiermark, gesäumt von Biohöfen und kleinen Ortschaften. Das Mühlviertel möchte sich neben Kärnten als Slow-Food-Region etablieren und das zu Recht.

Unsere Fahrerin kurvte so schnittig durch die Landschaft, dass wir bei jedem Halt stöhnend von den hinteren Plätzen ins Freie fielen. Schon das zweite Mal durfte ich mit Slow Food Österreich in meiner Rolle als Fotografin ausgewählte und herausragende ProduzentInnen besuchen sowie ihren Geschichten lauschen.

   

Ganz besonders beeindruckte mich dieses Mal die Bio-Hof-Fleischerei der Familie Höglinger. Renate und Michael empfingen uns an ihrem Schlachttag – einem Montag – nach getaner Arbeit. In der gemütlichen Gaststube erzählten sie uns, warum Hofschlachtereien in Österreich so selten geworden sind und wie ein junges Quereinsteigerpärchen den Hof von Renates Eltern übernahm. Eigentlich ging alles sehr, sehr schnell. Renates Eltern wollten den Hof an ihren ältesten Sohn übergeben. Dieser heiratete jedoch in einen anderen Hof ein. Zur gleichen Zeit half Michael als gelernter Tischler und Gebäudereinigungsmeister / Desinfektor in der Fleischerei aus und verliebt sich in diesen Beruf. Renate war Büroangestellte in Linz. Long story short – Die Eltern beantragten ihre Pension und bekamen diese überraschend zugesprochen. Renate kehrte auf den Hof zurück, Michael konnte die Fachprüfung zum Fleischermeister innerhalb von vier Monaten absolvieren und jetzt führen Sie gemeinsam den Betrieb.

In der warmen Gaststube wurde mir klar, dass ich noch selten jemanden so wertschätzend und bewundernd über die eigenen Eltern / Schwiegereltern sprechen gehört habe. Erst jetzt wurde Renate und Michael so wirklich bewusst welche Vorreiterrolle ihre Eltern in den 80iger Jahren eingenommen hatten. Ohne Kompromisse produzierten sie schon damals in 100%iger Bio-Qualität. Nachhaltig und regional war damals kein Begriff. Großkonzerne machten die Lage der Kleinproduzenten schwierig. Jedoch ließ sich Familie Höglinger nicht beirren und verwendete damals wie heute beste Fleischqualität mit besten Gewürzen, ohne Bindemittel oder Geschmacksverstärker.

   

Der Faktor Zeit ersetzt viele Haltbarkeitsmacher

In der Fleischerei erzählte uns Michael, dass der soeben eingelegte Schinken sich jetzt dreizehn Kilometer in dreizehn Stunden bewegen wird. Die Bewegung und der Faktor Zeit alleine reichten, um das Eiweiß im Fleisch aufzuspalten. Dadurch entsteht eine natürliche Verbindung mit Gewürzen und Salz.

Es ist und bleibt eben nicht egal, was in die Wurst kommt

Michaels Augen begannen zu leuchten, als er uns von seinen aktuellen Versuchen des „Warmwurstens“ erzählte. Innerhalb von sechs Stunden ab Schlachtung muss das Fleisch zu Wurstbrät verarbeitet werden. Die ist die natürlichste und reinste Form der Wurstherstellung. Der Salzanteil für die Haltbarmachung kann so stark reduziert werden, dass das Endprodukt nahezu nur aus feinstem Fleisch und Gewürzen besteht.

Die Verkostung unterstrich sein Vorhaben nur zu gut. Eigentlich habe ich schon vor langer Zeit aufgehört Wurst zu essen. Gerade der Salzgehalt in normalen Wurstprodukten hatte mir nicht mehr gut getan. Eine ständige Übersäuerung meiner Leber und des Darms waren die Folge.

  

Spätestens nach dem Besuch im Stall wurde mir einiges klar. Ich konnte nie wieder konventionell produzierte Wurstwaren essen.

Aktuell kaufen Renate und Michael noch Bioferkel zu. Als großer Lebenstraum schwebt den beiden eine eigene Aufzucht am Hof vor. Der Kreislauf würde sich dadurch schließen. Jedoch fällt die Ferkelzucht unter die Königsdisziplin in diesem Prozess. Neben großen Investitionssummen und Platz benötigt man unglaublich viel Wissen und Erfahrung. Aber, dass Familie Höglinger auch das in Zukunft schaffen wird, steht außer Frage.

Bisher verbrachten die Ferkel durchschnittlich acht bis neun Monate bei ihnen am Hof.

Wenn Schweine lachen könnten, dann würden sie es tagtäglich hier tun.

Die Vierbeiner wälzen sich im Stroh und es riecht nach frischer Luft. Kein Stallgeruch weit und breit. Wenn die beiden Hofeigentümer den Stall betreten, laufen die Tiere ganz aufgeregt wie junge Hunde zu ihnen und lassen sich den Kopf kraulen.

    

Diese Vertrautheit macht es Michael jeden Montag so einfach mit wöchentlich sechs von ihnen in die angrenzende Schlachterei zu spazieren. Der Hausherr redet und berührt die Tiere bis nach der Betäubung. Danach geht alles blitzschnell. Es ist eine ganz eigene, ruhige Stimmung am Montagmorgen im Schlachthof. Michael und seine Mitarbeiter verständigen sich ohne Worte und jeder weiß seine Handgriffe auswendig. Der Tierarzt nimmt sowohl vorher als auch nachher das Tier und das Fleisch ab. Proben werden verschickt und streng kontrolliert.

Wichtig dabei ist vor allem, dass das Tier ohne Stress getötet wird, da man diesen im Fleisch schmeckt. Die Liebe zum Produkt geht soweit, dass ein nervöses Tier wieder in den Stall zurück geführt wird, weil acht Monate Aufzucht durch so einen kurzen Moment zunichte gemacht werden würden.

 

Am nächsten Tag kommen die MitarbeiterInnen aus der Umgebung und ihr junger Lehrbursch, welcher mit neun Jahren schon wusste, dass er Metzger werden wollte, zum Einsatz. Die Wertschätzung ist auf diesem Hof nicht nur gegenüber den Tieren und der Natur, sondern auch gegenüber den Menschen und den eigenen Wurzeln zu spüren. Die Generationenarbeit wertet das Endprodukt nur noch mehr auf. Renate erzählte, dass ihre Eltern in der Pension jetzt endlich mehr Zeit für ihr Hobby – den Pferden und Kutschen – Zeit haben. Sie helfen noch sehr viel mit, aber nicht mehr rund um die Uhr. Wichtig dabei ist ihr immer, dass sie sich eingeladen fühlen mitzuhelfen, jedoch nicht verpflichtet sind.

Die Höglinger – Wursterzeugnisse kann man im eigenen Hofladen oder in ausgewählten Läden in Oberösterreich kaufen. Die Liste kann man bei Renate und Michael erfragen oder demnächst auf www.hoeglinger-bio.at finden. Mich wird der kurvige Weg bald wieder zu ihnen führen, weil es ab jetzt keine Alternative mehr gibt.